Cyberphysikalische Systeme, das Internet der Dinge, E‑Clouds, Roboter und die künstliche Intelligenz – manchen erscheinen solche Begriffe wie drohende Wolken am Himmel des Arbeitsmarktes. Für andere jedoch bedeuten sie vor allem Chancen für neue Geschäftsfelder und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Die Abschlussfeier für die Studierenden der Fachschule für Technik an der Ferdinand-Braun-Schule stand ganz unter dem Zeichen „Digitalisierung der Wirtschaft“. Schulleiter Thomas Remmert betonte vor 100 Absolventinnen und Absolventen der Fachschule für Technik in seiner Ansprache vor allem die guten Jobaussichten: „Die Arbeitsplätze von Absolventen der Fortbildungsqualifikation ‚Staatlich geprüfte Techniker’ sind weder in Gefahr noch sterben die technischen Berufe aus. Die Aufstiegsmöglichkeiten gerade in diesen Berufsfeldern sind sogar sehr gut bis hervorragend.“ Die Studierenden hatten nach abgeschlossener Ausbildung in einem technischen Beruf den Schritt zu einer in Vollzeit zweijährigen bzw. in Teilzeit dreijährigen Weiterbildung gewagt. Ziel war der Titel »Staatlich geprüfte Technikerin« bzw. »Staatlich geprüfter Techniker«.
An diese hohe Motivation zur Weiterbildung knüpfte Remmert an und sagte: „Sie wollten mehr aus sich machen, weil Sie sich mehr zutrauten und Sie haben gezeigt, dass Sie das geschafft haben.“ Er betonte, dass mit dem Abschluss nun der Aufstieg in die mittlere Führungsebene beginne und unterstrich, dass es dort nicht nur auf die technische Spezialisierung ankomme: „Verantwortung bedeutet Vorbild zu sein und das setzt eine gute Koordination, Kooperation und Kommunikation voraus. All dies haben Sie über das Technische hinaus an der FBS gelernt“, so der Schulleiter.
Dag Wehner, Bürgermeister der Stadt Fulda, berichtete als Repräsentant des Schulträgers von der Sorge vieler osthessischer Unternehmer, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden und nannte zudem die Zahl von rund 1000 unbesetzten Ausbildungsplätzen in der Region. Im Rahmen des Programms „Bildungsoffensive 2020“ werde der Schulträger die Ferdinand-Braun-Schule um ein Automatisierungszentrum erweitern und dafür mehrere Millionen Euro in die Hand nehmen. Mit diesem Automatisierungszentrum wird die Schule für die Herausforderungen von Industrie 4.0 gut aufgestellt sein. Wehner hob den hohen Ausbildungsstand der technischen Berufsschule hervor, der auch durch die Zertifizierung zum Bundesleistungszentrum des Maler- und Lackiererhandwerks durch die Organisation »WorldSkills Germany« zum Ausdruck kommt.
Dr. Oliver Stettes, Leiter des Kompetenzfeldes Arbeitsmarkt und Arbeitswelt des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, war als Gastredner geladen. In seinem Vortrag entkräftete er die medienwirksamen Schreckensszenarien über drohende Arbeitsplatzverluste, die durch die Digitalisierung der Arbeitswelt hervorgerufen würden. Nach seinen Worten sind „keine negativen Beschäftigungseffekte durch die Digitalisierung erkennbar und schon gar kein massiver Abbau von Arbeitsplätzen“. Der Wissenschaftler verdeutlichte anhand einer statistischen Auswertung, dass auch in absehbarer Zukunft in den Bereichen technische Entwicklung, Konstruktion, Produktionssteuerung, Mechatronik und Elektrotechnik der Bedarf an Technikern größer als das Angebot an ausgebildeten Technikern sein wird. MINT-Berufe zählen nach wie vor zu den permanenten Engpassberufen.
Dr. Stettes gab auch Entwarnung vor der Vorstellung, dass sich in der digitalen Arbeitswelt jeder zu einem IT-Nerd entwickeln müsse, es genüge, wenn jeder die digitalen Werkzeuge seines Berufsalltages kompetent beherrsche. Dr. Stettes referierte ferner über die Bedeutung der Sozialkompetenzen, die mit zunehmender Verantwortung im mittleren Management von Technikern erwartet werden. Die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitswelt führe zu mehr Eigenständigkeit auch bei der Gestaltung der Arbeitsabläufe und damit zu mehr Verantwortung sowie einer hohen Teamfähigkeit. „Digitalisierung ist kein Naturereignis, sondern eine Gestaltungsfrage“, so Dr. Stettes am Schluss seines Vortrages und: „Sie werden das schaffen, allein schon weil Sie die Mühsal und das Vergnügen aufgebracht haben, die Aufstiegsfortbildung zum Techniker gemacht zu haben.“
Studiendirektor Hubert Schmitt, Leiter der Fachschule für Technik, ergänzte die Ausführungen noch mit zahlreichen Beispielen, wie der digitale Wandel neue Arbeitsplätze und Geschäftsfelder hervorgebracht habe: „Als in der Druckindustrie in den 60er Jahren der Bleisatz durch den Fotosatz ersetzt wurde und zwei Jahrzehnte später wiederum der Fotosatz von Desktop-Publishing (DTP) abgelöst wurde, entstanden jeweils Horrorszenarien über drohende Arbeitsplatzverluste. Doch nach den Umstellungen existierten dort mehr Arbeitsplätze als zuvor. Das Angebot an Printprodukten wie Zeitungen, Zeitschriften und Büchern nahm zu, später kam mit dem Internet noch die digitale Vermarktung der Publikationen in Form von E‑Books, E‑Papers und weiteren Online-Produkten hinzu. Technischer Wandel bedingt immer Anpassungsprozesse beruflicher Kompetenzen, bedeutet aber auch Chancen für neue Betätigungsfelder. Schmitt empfahl den Absolventen, dem digitalen Wandel mit Zuversicht zu begegnen, denn sie hätten sich in der Technikerausbildung das Rüstzeug für die Bewältigung von Innovationen zugelegt.
Bürgermeister Wehner, Dr. Stettes, Schulleiter Remmert und Abteilungsleiter Schmitt nahmen anschließend mit sichtlichem Vergnügen die Ehrung der Studierenden mit Einserschnitt vor: Julian Renz, Matthäus Vogt, Antonia Schuhmann, Lukas Greiner, Simon Ullmann, Vanessa Franke, David Schweinberger und Moritz Rehberg. Letzterer sprach auch die Dankesworte im Namen der frisch gebackenen Technikerinnen und Techniker in schönem Rhöner Dialekt. Abschließend nahmen alle Absolventinnen und Absolventen unter dem Applaus des Publikums ihre Zeugnisse aus den Händen ihrer Tutoren entgegen.
[robo-gallery id=„6277“]Fotos: OStR Uwe Kramer